Experten plädieren für „Body Neutrality“ statt „Body Positivity“ – Wie Körperbilder Adipositas und Essstörungen beeinflussen

Gera, 28.09.2023. Expert:innen auf dem Gebiet der Essstörungen und Adipositas sehen das Konzept der „Body Positivity“ kritisch und plädieren stattdessen für „Body Neutrality“. Darauf weisen die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und die Deutsche Gesellschaft für Essstörungen (DGESS) anlässlich des gemeinsamen Jahreskongresses in Gera hin. Um ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper zu erreichen, sollte anstelle des Aussehens dessen Funktion im Mittelpunkt stehen. Dies könne sowohl die Prävention als auch die Therapie von Gewichtsstörungen positiv beeinflussen. Die Body-Positivity-Bewegung sei eine verständliche Schutzreaktion auf die weit verbreitete Stigmatisierung der Betroffenen. Body Neutrality sei jedoch das überlegene Konzept, betonen die Expert:innen.

„Es ist nicht einfach ein Ausdruck unterschiedlicher biologischer Körperformen, wenn immer mehr Menschen weltweit von krankhaftem Übergewicht betroffen sind“, erklärt Prof. Christine Stroh, Chefärztin der zertifizierten Klinik für Adipositas und Metabolische Chirurgie am Wald-Klinikum Gera und Vorstandsmitglied der DAG. „Menschen mit Adipositas haben eine verringerte Lebenserwartung und ein stark erhöhtes Risiko für schwerwiegende Folgekrankheiten. Adipositas ist eine chronische, behandlungsbedürftige Erkrankung“, so Stroh.

„Die Selbstliebe des eigenen Körpers kann Betroffenen helfen, einen Schutz gegen die negativen Stressoren aufzubauen, die die Problematik nur verschärfen – insofern hat die Body-Positivity-Bewegung einen wertvollen Beitrag geleistet“, ergänzt Prof. Claudia Luck-Sikorski, Psychologische Psychotherapeutin, Präsidentin der SRH Hochschule für Gesundheit am Campus Gera und DAG-Vorstandsmitglied. „Dennoch ist das Konzept der Body Neutrality überlegen – denn hier geht es nicht um neue oder alte Schönheitsideale, sondern eine gesunde Körperfunktion“, so Luck-Sikorski.

„Auch bei extremem Untergewicht und Anorexie ist ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper von zentraler Bedeutung in der Behandlung und in der Vermeidung der Erkrankungen“ ergänzt Prof. Dr. Astrid Müller, Vorstandsmitglied der DGESS und leitende Psychologin an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover. „Wenn wir als Gesellschaft weniger auf Schönheitsideale fokussiert sind, sondern den Erhalt der gesunden Körperfunktion in den Vordergrund rücken, ist viel gewonnen. Darauf möchten wir anlässlich des gemeinsamen Jahreskongresses der DAG und DGESS hinweisen“, so Müller.

Zwar hat die Body-Positivity-Bewegung eine größere Vielfalt von Körpertypen in die öffentliche Wahrnehmung gebracht, dennoch bleibt eine starke Betonung des Aussehens bestehen. Die Anforderung, den eigenen Körper stets zu lieben, ist für viele Menschen entmutigend, besonders wenn sie in Wahrheit nicht völlig zufrieden mit ihrem Aussehen sind. Zudem kann die bedingungslose Selbstliebe auch dazu beitragen, Gewichtsstörungen zu verharmlosen. Die Body Neutrality ist inklusiver, da die Wertschätzung für den eigenen Körper hier losgelöst von ästhetischen Gesichtspunkten erfolgt. Dadurch wird Körper nicht länger als Objekt der Schönheitsvorstellungen betrachtet. Es geht vielmehr um die Wertschätzung des eigenen Körpers auf der Grundlage dessen, was er zu leisten vermag. Diese Betrachtungsweise kann Prävention und Therapie von Essstörungen und Adipositas erleichtern und die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Betroffenen verbessern.

Der diesjährige Jahreskongress der DAG und DGESS findet vom 27. bis 29. September im Kultur- und Kongresszentrum Gera unter Schirmherrschaft der SRH Hochschule für Gesundheit statt. Zweieinhalb Tage lang diskutieren die führenden Wissenschaftler:innen auf dem Gebiet das breite Spektrum der Ess- und Gewichtsstörungen – von extremem Untergewicht bis extremem Übergewicht – und wie Prävention, Früherkennung, Diagnostik und Therapie gestärkt werden können.

Weiterführende Infos zum Kongress: https://www.dag-dgess.de

Pressekontakt DAG
Oliver Huizinga
Email: pressestelle@adipositas-gesellschaft.de
Mobil: 01515 – 127 19 21

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