Pressemeldung der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten zur Kinderwerbestudie

Pressemitteilung von DANK zur Studie „Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel in Internet und TV“ – Die DAG ist Mitglied von DANK

Kinder sehen pro Tag 15 Werbungen für ungesundes Essen

• Von Kindern gesehene Lebensmittelwerbung in TV und Internet
ist zu 92 Prozent für Fast Food, Snacks und Süßes

• Zahl der ungesunden Spots pro Stunde Fernsehen um 29 Prozent gestiegen

• Kinderärzte, Wissenschaftler und AOK fordern Verbot von Kindermarketing für Dickmacher

Berlin, 11. März 2021 – Ein mediennutzendes Kind sieht in Deutschland durchschnittlich pro Tag 15,48 Werbespots oder -anzeigen für ungesunde Lebensmittel. Davon entfallen 5,14 auf
das Internet und 10,34 auf das Fernsehen. Zugleich ist die Zahl der TV-Spots pro Stunde um 29 Prozent gestiegen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Hamburg, die heute vorgestellt wurde, basierend auf Daten noch vor der Corona-Krise. Durchschnittlich 92
Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, bezogen sich auf ungesunde Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten (Fernsehen 89 Prozent, Internet 98 Prozent). Ein Bündnis aus Wissenschaftlern, Kinderärzten und dem AOK-
Bundesverband erneuert angesichts dieser Zahlen die Forderung, Kindermarketing für ungesunde Produkte in allen Medienarten zu untersagen – wie es in vielen Ländern bereits
Standard ist.

Die Studie von Wirtschaftswissenschaftler Dr. Tobias Effertz analysiert die Werbekontakte
von Kindern von 3 bis 13 Jahren für den Zeitraum März 2019 bis Februar 2020 für Internet
und von Juni bis September 2019 für TV. Grundlagen waren neben eigenen Erhebungen
unter anderem Daten von Nielsen Media Research zum Internetsurfverhalten von Kindern
und zur Reichweite von Webseiten sowie Daten über rezipierte Werbung. Die Bewertung der
Produkte als gesund oder ungesund erfolgte nach dem Nutrition Profile Model der
Weltgesundheitsorganisation (WHO), das eigens für den Bereich Kinder entwickelt wurde.
Die Auswertung bezog sich auf die Kinder, die Internet bzw. TV nutzen.

Die Ergebnisse sind erschreckend: So richten sich 70 Prozent der untersuchten
Lebensmittelwerbespots im Fernsehen durch ihre Aufmachung oder Sendeumfeld speziell an
Kinder. 89 Prozent aller TV-Spots werben für ungesunde Produkte. Die Zahl der von Kindern
gesehenen Spots pro Tag ist zwar seit 2007 etwa gleichgeblieben. Aber Kinder sehen heute
30 Minuten weniger fern. Pro Stunde werden also 29 Prozent mehr ungesunde Spots
ausgestrahlt als früher. „Die Unternehmen haben den Werbedruck auf Kinder bewusst
erhöht“, kritisiert Dr. med. Sigrid Peter, Kinderärztin in Berlin und stellvertretende
Vorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVJK). „Die schädlichen gesundheitlichen Folgen davon sehen wir täglich in unseren Praxen. Wir müssen endlich die
Ursachen angehen für Übergewicht bei Kindern – und Werbung ist dabei ein wichtiger
Faktor.“

Im Internet werden Kinder vor allem über Facebook mit Werbepostings zu ungesunden
Produkten erreicht – über zehn Milliarden Mal pro Jahr in Deutschland. Zudem locken die
Unternehmen Kinder gezielt auf ihre Webseiten zu ungesunden Produkten und versuchen
sie dort durch Spiele oder ähnliches lange zu halten. Auf YouTube erfolgt die Werbung für
Ungesundes mit Kindermarketing zu zwei Dritteln durch Influencer.

„Über 15 mal am Tag werden unsere Kinder von der Industrie dazu animiert, mehr Zucker,
Salz und Fett zu essen“, kritisiert Professor Dr. Hans Hauner, Leiter des Else Kröner-
Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der TU München und Vorsitzender der Deutschen
Diabetes Stiftung (DDS). „Das macht alle Bemühungen um eine Erziehung zur gesunden
Ernährung zunichte und darf nicht weiter toleriert werden. Diese Werbeaktivitäten in den
digitalen Medien nehmen rasch zu und sind besonders wirksam.“ Zumal es Nachweise gebe,
dass Werbung sogar stärker wirken kann als ein gutes Vorbild der Eltern.

„Die Studie zeigt erneut, dass seitens der Lebensmittelindustrie offenkundig keine
Übernahme von Verantwortung oder Unterstützung zu erwarten ist“, sagt Dr. Kai Kolpatzik,
Leiter der Abteilung Prävention beim AOK-Bundesverband. „Es wird daher höchste Zeit,
diese Branche in die Pflicht zu nehmen. Denn freiwillige Selbstverpflichtungen, ganz egal ob
im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie oder beim Werbeverbot für
Kinderlebensmittel, liefen bisher ins Leere.“ Ein gesetzlich verankertes Werbeverbot fordert
auch das Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK):
„Ernährungsbedingte Krankheiten haben sich auch bei Covid-19 als verhängnisvolle
Risikofaktoren für schwere Verläufe und Versterben gezeigt“, sagt DANK-Sprecherin Barbara
Bitzer. „Viele Todesfälle hätten verhindert werden können, wenn die Politik früher
Maßnahmen gegen Übergewicht ergriffen hätte. Deshalb ist ein Werbeverbot jetzt mehr als
überfällig.“

Die Studie wurde von der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), dem
AOK-Bundesverband sowie sechs medizinischen Fachgesellschaften und Organisationen
finanziert.

Die Kurzfassung der Studie finden Sie auf der Website der DANK oder des AOK-
Bundesverbandes oder unter https://adipositas-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2021/03/Kurzfassung-Kinderwerbestudie.pdf

Die Langfassung finden Sie unter www.bwl.uni-hamburg.de/irdw/forschung.html

Kontakt:

Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)
c/o Deutsche Diabetes Gesellschaft
Barbara Bitzer (Sprecherin)
Albrechtstraße 9, 10117 Berlin
Mobil 01577 393 41 81
Telefax 030 / 3 11 69 37 20

bitzer@ddg.info

Pressestelle AOK-Bundesverband
Dr. Kai Behrens
Telefon 030 / 346 46 2309
Mobil 01520 156 3042
presse@bv.aok.de

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