Welt-Adipositas-Tag: DAG appelliert an politische Entscheidungsträger, Adipositas als gesundheitspolitische Schlüsselherausforderung zu begreifen
Berlin, 3. März 2025. Anlässlich des Welt-Adipositas-Tages am 4. März mahnt die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), die chronische Erkrankung Adipositas als gesundheitspolitische Schlüsselherausforderung wahrzunehmen und entsprechend zu handeln. Prof. Dr. Matthias Blüher (Leipzig), Mediensprecher der DAG, führt dazu aus: „Wenn in Deutschland ein Viertel der Erwachsenen stark übergewichtig (adipös; BMI ≥30 kg/m2) sind, bereits etwa 15% der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig oder adipös gelten und wir hier stetig steigende Tendenzen beobachten, ist es eine gesellschaftliche Herausforderung ersten Ranges, uns diesen Entwicklungen entgegen zu stellen. Dabei darf die Adipositas nicht nur einen Tag lang im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, sondern es müssen 365 Tage im Jahr lang die entsprechenden Maßnahmen unternommen und Rahmenbedingungen geschaffen werden, um diese Herausforderung zu bewältigen.“
Prof. Dr. med. Matthias Laudes (Kiel), Präsident der DAG, richtet angesichts der anstehenden Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl am 23. Februar und der danach beginnenden Arbeit der Regierungskoalition einen deutlichen Appell an die politischen Entscheidungsträger:innen: „Als DAG erwarten wir klare Signale und ein Bekenntnis der Politik, Patienten und Patientinnen mit ihrer Erkrankung nicht allein zu lassen und Ihnen eine adäquate Versorgung zu ermöglichen, die oftmals nicht gegeben ist. Zudem muss die Politik dafür Sorge tragen, dass die Adipositas als Erkrankung nicht weiter um sich greift und hier endlich die Möglichkeiten im präventiven Bereich voll ausschöpfen. Der Handlungsdruck steigt beständig und wir könnten deutlich mehr tun, als es aktuell der Fall ist. Länger warten auf eine Trendwende können wir uns aber als Gesellschaft und in der Gesundheitspolitik schlichtweg nicht mehr leisten.“
Übergewicht und Adipositas sind Mitursache für viele gesundheitliche Beschwerden und Leiden. Sie begünstigen die Entwicklung chronischer Krankheiten wie z.B. Diabetes und Herzkreislauferkrankungen bereits ab einem frühen Alter. Durch diese Folgeerkrankungen entsteht für alle Betroffenen ein erheblicher Leidensdruck. Hinzu kommen enorme gesellschaftliche Implikationen durch die finanziellen Belastungen unseres Gesundheits-, Renten und Sozialsystems, die Verstärkung des Fachkräftemangels durch Arbeitsausfall und (Früh)Verrentung, als auch für die Umwelt, da Adipositas mit rund 20% erhöhten Treibhausgasemissionen assoziiert wird.
Aus Sicht der DAG haben für die anstehenden Koalitionsverhandlungen und die nächste Legislaturperiode drei Forderungen zentrale Bedeutung:
1. Es muss sichergestellt werden, dass das vom GB-A verabschiedete DMP-Adipositas – sowohl für Erwachsene als auch für Kinder/Jugendliche – zeitnah bei den Betroffenen im Behandlungsalltag ankommt. Hier sollte von Gesetzgeberseite eine Frist gesetzt werden, in der in einem angemessenen Zeitrahmen ein Ergebnis abschließend verhandelt sein muss. Dadurch wird eine multimodale Basistherapie mit Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie flächendeckend für alle Adipositaspatient:innen gewährleistet.
2. Die Adipositas wurde bereits im Jahre 2020 in Deutschland als chronische Erkrankung anerkannt. Es müssen jetzt auch die Voraussetzungen geschaffen werden, dass sie als solche versorgt werden kann. Dies betrifft insbesondere die Änderung des Paragraphen § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V, der die Kostenerstattung von Medikamenten zur Gewichtsreduktion zum aktuellen Zeitpunkt generell ausschließt. Medikamentöse Therapien sind jedoch immer dann sinnvoll und notwendig, wenn die o. g. multimodalen Basismaßnahmen für sich alleine nicht erfolgreich sind oder bereits schwere Folgeerkrankungen vorliegen.
3. Neben der Therapie von bereits betroffenen Patient:innen müssen auch verhältnispräventive Maßnahmen umgesetzt werden, damit die Adipositas-Epidemie langfristig gestoppt werden kann. Hierzu zählt die Neugestaltung der Lebensmittelbesteuerung („gesunde Mehrwertsteuer“), die Einschränkung von Werbung für bestimmte Produktkategorien („ungesunde Lebensmittel“ wie zum Beispiel Süßgetränke) an Kinder und Jugendliche, verbindliche Empfehlungen zur Einschränkung des Konsums von Süßgetränken, der Ausbau von Sportangeboten (mit verpflichtenden regelmäßigen Schulsport (1h pro Tag)) sowie der Ausbau bzw. die Nutzung von Digitalisierungsangeboten bei der Ernährungsschulung.