Deutsche Adipositas-Gesellschaft ruft vor Adipositas-Kongress zu mehr Problembewusstsein und Verbesserung der Versorgungslage auf
Berlin, 14. Oktober 2024. Im Vorfeld des Adipositas-Kongresses in Köln (16. – 18.10.) warnt die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) vor den massiven gesundheitlichen Folgen durch starkes Übergewicht und bemängelt das weiterhin zu geringe Problembewusstsein in der Gesellschaft und innerhalb der Politik. DAG-Präsident Prof. Dr. Jens Aberle (Ärztlicher Leiter am Adipositas-Centrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)) unterstreicht: „Adipositas ist die unterschätzte Volkskrankheit schlechthin! Keine andere chronische Krankheit, die so weit verbreitet ist, ist in Deutschland dermaßen unterversorgt. Wir haben eine Tendenz zu immer mehr Betroffenen, verbunden mit hohen materiellen und immateriellen Folgekosten für unser Sozialsystem und die Gesellschaft mit zahlreichen verlorenen gesunden Lebensjahren. Dabei haben wir theoretisch viel mehr Möglichkeiten, um uns dieser gesundheitlichen Herausforderung zu stellen, nur werden diese Optionen leider nicht genutzt.“
In Deutschland gelten rund zwei Drittel (67%) der Männer und die Hälfte (53%) der Frauen als übergewichtig (BMI ≥ 25 kg/m2). Ein Viertel der Erwachsenen ist dabei stark übergewichtig (adipös; BMI ≥30 kg/m2). Unter den Kindern und Jugendlichen sind bereits ca. 15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen (zwei Millionen) übergewichtig. Adipositas als chronische Erkrankung bedarf einer lebenslangen Betreuung und Behandlung und ist zugleich Ursache für die Entstehung schwerwiegender Folgeerkrankungen wie Herzkrankheiten, Schlaganfall, Typ-2-Diabetes und verschiedenen Krebsarten.
Die aktuelle Neuordnung der Behandlungsoptionen und –pfade, etwa über die gerade erst veröffentlichte aktualisierte S3-Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas“ oder das im Juli neu eingeführte DMP (Disease Management Programm) Adipositas bringen grundsätzlich eine neue Dynamik für alle Betroffenen und ihre Behandler:innen. Zugleich stehen einige relevante politische Rahmensetzungen, z.B. die aktuell noch in der Ressortabstimmung befindlichen bundesweiten Regeln für an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Fett, Zucker oder Salz, weiterhin aus.
Der Mediensprecher der DAG, Prof. Dr. Matthias Blüher (Leiter der Adipositas Ambulanz für Erwachsene und Professor für Klinische Adipositasforschung an der Universität Leipzig), betont: „Wir dürfen die aktuellen Entwicklungen nicht als Endpunkte, sondern Zwischenetappen auf dem Weg zu einer besseren Versorgungslandschaft und Prävention verstehen. Nur wenn beispielsweise im DMP Adipositas leistungsrechtliche Limitationen überwunden werden, kann eine umfassende leitliniengerechte, evidenzbasierte und bedarfsorientierte Versorgung von Menschen mit Adipositas im Rahmen eines DMPs sichergestellt werden. Um das DMP Adipositas in die Breite zu tragen und für alle Betroffenen niedrigschwellig zur Verfügung zu stellen, ist deshalb auch ein flächendeckendes Angebot unverzichtbar.“ Prof. Dr. Susann Weihrauch-Blüher (Universitätskinderklinik Halle/Saale Dept. für Kinder- und Jugendmedizin Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie), Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) warnt ausdrücklich vor den Folgen mangelhafter Präventionsbemühungen: „Wenn wir auch schon in frühesten Lebensjahren immer mehr von Adipositas betroffene Menschen konstatieren müssen, dann brauchen wir auch in der Präventionspolitik deutlich stärkere Impulse, sei es durch Werbeverbote, eine Zuckersteuer oder auch verbindliche Vorgaben für die Ernährung in Kitas und Schulen. Leider ist hier der Gestaltungswille der Politik viel zu gering ausgeprägt. Wenn wir jetzt in der Verhältnis- als auch Verhaltensprävention nicht mehr tun, wird der Adipositas-Tsunami immer größer.“
Auf dem nun in Köln stattfindenden Adipositas-Kongress wollen Expert:innen diese und viele weitere Fragen rund um die Forschung und Behandlung der Adipositas gemeinsam diskutieren und Perspektiven für eine Verbesserung der Versorgungslage aufzeigen. Mehr Informationen zum Kongress sind unter https://dag-kongress.de/ zu finden.